Niedersächsisches Landvolk Kreisverband Rotenburg-Verden e.V.

Unsere Tradition: Die Zukunft sichern

Ein Dialog mit Weitblick

Mit Vivian Tauschwitz im Gespräch über die Landwirtschaft in der Region Rotenburg

Kürzlich duften wir in unserer Rotenburger Geschäftsstelle die CDU-Bundestagsabgeordnete unseres Rotenburger Wahlkreises Vivian Tauschwitz begrüßen und ein spannendes Gespräch über die Themen führen, die die Landwirtschaft vor Ort bewegen – von der allgegenwärtigen Bürokratie über die Chancen und Herausforderungen der erneuerbaren Energien bis hin zur Zukunft der Tierhaltung, der landwirtschaftlichen Ausbildung und dem Schubladendenken von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft.

Landwirtschaft zwischen Wertschätzung und Wirklichkeit: „Guter Bauer, böser Bauer“ war gestern

Weg vom Schubladendenken und von „guter Bauer, böser Bauer“ wünschen sich alle Beteiligten. Gemeint ist damit vor allem die Polarisierung zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft.

„Innerhalb der Branche herrscht Einigkeit. Es geht nicht um Konventionell gegen Bio. Jede Betriebsform hat ihre Vor- und Nachteile und vor allem ihre Berechtigung“, so der Vorsitzende des Landvolkkreisverbandes Christian Intemann. Ein Wunsch, der sich auch an die Politik richtet – und an die Gesellschaft. Tauschwitz stimmt zu: „Auch ich habe das Gefühl, dass dieses Schwarz-Weiß-Denken zunehmend Einzug erhalten hat. Dies ist allerdings auch aus meiner Sicht kontraproduktiv. Wir brauchen Kompromisse!“

„Uns ist es wichtig, dass hierbei politisch nicht etwas am Markt vorbei inszeniert wird“, fordert Jörn Ehlers, ebenfalls Vorsitzender des Kreislandvolkverbandes und Landvolk-Vizepräsident. Denn nur zu oft wird an der Ladentheke nun mal anders gekauft als vorher gewählt – hier wünscht sich Ehlers mehr Ehrlichkeit.

Tierhaltung, Ernährungssicherheit und der Wunsch nach Verlässlichkeit

Ein zentrales Thema: die Zukunft der Tierhaltung. Gerade in einer Tierhaltungsregion wie Rotenburg spielt sie eine tragende Rolle. Doch zwischen Baugesetzbuch, Emissionsschutzverordnung und wechselnden Förderbedingungen wird aus Tierwohl schnell Bürokratiefrust.

„Das Baugesetzbuch und das Emissionsschutzgesetz sind beispielsweise zwei Faktoren, die uns in der Praxis Sorgen bereiten und nur zu oft einen Zielkonflikt darstellen“, spricht Intemann aus Erfahrung. Ein Beispiel, das exemplarisch gut darstellt, wie komplex sich die Herangehensweise an verschiedene Herausforderungen in der Landwirtschaft oft gestaltet.

„Hier fesseln wir uns selbst“, bestätigt Tauschwitz und macht bei allen Herausforderungen eines deutlich: Die Versorgungssicherheit im eigenen Land muss weiter gestärkt werden. „Ressourcenkonflikte können die Kriege unserer Zeit werden, deshalb ist es umso wichtiger, die Nahrungsmittelsicherheit und den Selbstversorgungsgrad hochzuhalten.“

Eine gesellschaftliche Werteverschiebung nimmt auch Ehlers seit der Coronapandemie und dem Ukraine-Krieg wahr: „Das Bewusstsein für die Relevanz einer sicheren Energie- und Nahrungsmittelversorgung nimmt zu.“

Erneuerbare Energien: Zwischen Innovation und Investitionshürden

Gerade beim Thema Energie zeigt die Region Rotenburg, was möglich ist. „Kaum eine Region ist in Sachen Biogasanlagen so gut aufgestellt“, weiß Ehlers. Auch Photovoltaik und Windenergie bieten große Potenziale – doch auch hier wird der Fortschritt durch bürokratische Hemmnisse gebremst.

Die Doppelnutzung von Flächen, also Landwirtschaft kombiniert mit Photovoltaik, sei ein vielversprechender Ansatz, der jedoch politisch derzeit erschwert werde. Auch beim Thema Netzausbau fehle zum Teil die nötige Praxisnähe. Kreisverbandsgeschäftsführer Carsten Hoops macht deutlich: „Es ist ein Sättigungsgrad erreicht. Technisch entwickelt sich gerade viel, deshalb bitten wir ausdrücklich darum, stetig zu prüfen, was wirklich an Netzausbau nötig ist.“

Zudem gibt er zu bedenken, dass die Erdverkabelung deutlich teurer sei als die Freileitung. Tauschwitz lenkt ein: „Hier ist es Aufgabe der Politik, wirklich genau hinzuschauen, in welchem Fall es die unterirdische Leitung sein muss und wann ich mir die 50 Prozent an Kosten sparen kann, und eine überirdische Leitung baue.“

Ausbildung mit Weitblick – und neuen Hürden

Trotz vieler Herausforderungen gibt es auch Lichtblicke: Die landwirtschaftliche Ausbildung erlebt in Rotenburg eine beeindruckende Resonanz. Während andere Handwerksbranchen mit Nachwuchssorgen kämpfen, bleibt das Interesse an der Landwirtschaft hoch.

„Wir schätzen uns sehr glücklich, dass wir – im Vergleich zu anderen handwerklichen Branchen, die große Probleme damit haben, noch Nachwuchs auszubilden – unsere Ausbildungszahlen nach wie vor relativ stabil halten“, erklärt Intemann.

Insbesondere am Standort Rotenburg werden jährlich überdurchschnittlich viele landwirtschaftliche Auszubildende angelernt – ein Umstand, auf den man in der Region stolz ist. Die BBS Rotenburg genießt einen sehr guten Ruf, und viele Auszubildende aus angrenzenden Landkreisen nehmen gerne den Weg auf sich, um hier zu lernen.

Das große Interesse spiegelt sich auch darin wider, dass viele Lehrbetriebe bereits über mehrere Jahre im Voraus ausgebucht sind. Obwohl nicht jedes Jahr der Bedarf an neuen Mitarbeitern besteht, nehmen viele Betriebe trotzdem neue Auszubildende auf.

„In der Landwirtschaft bilden wir eher selten nur für den eigenen Betrieb aus, hier ist es üblich, für die ganze Branche auszubilden“, erklärt Ehlers. Dies zeige den idealistischen Ansatz und den starken Zusammenhalt in der Branche.

Doch auch in der Ausbildung sorgt Bürokratie für Stolpersteine. Um den Auszubildenden einen umfassenden Einblick zu ermöglichen, war es gängige Praxis, die Ausbildungszeit auf verschiedenen Höfen zu verbringen. Das wurde in der Vergangenheit durch einjährig abgeschlossene Ausbildungsverträge erleichtert – doch eine gesetzliche Änderung verlangt nun, dass der Vertrag über die gesamte Ausbildungszeit abgeschlossen werden muss.

„Die einzige Lösung ist aktuell der Weg über einen Aufhebungsvertrag, der einen enormen bürokratischen Mehraufwand für alle Beteiligten bedeutet“, so Intemann. Tauschwitz, die selbst während ihrer Ausbildung bei der Bundeswehr an verschiedenen Standorten gedient hat, kann gut nachvollziehen, wie wichtig es ist, möglichst viele Einblicke in die verschiedenen Betriebszweige zu gewinnen. „Während der Ausbildung entwickeln sich ja erst gewisse Präferenzen. Deshalb macht es Sinn, erst zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden, ob im dritten Lehrjahr noch einmal der Milchviehbetrieb besucht wird oder doch lieber der Schweinebetrieb“, so die Meinung der Bundestagsabgeordneten.

Ihr Appell: „Wir müssen keine Probleme suchen, wo keine sind. Wenn sich ein bestimmtes Vorgehen über die Jahre bewährt hat, brauchen wir es nicht aus Prinzip auf den Prüfstand zu stellen.“

Klare Worte zum Abschluss: Bürokratieabbau als Gemeinschaftsaufgabe

Im Gespräch wird deutlich Tauschwitz setzt sich bei ihrer politischen Arbeit für pragmatische Ansätze ein. So spricht sie sich unter anderem für die Abschaffung des Verbandsklagerechts aus: „Ich finde es sinnvoll, gewisse Dinge zu schützen, aber ich bin definitiv dafür, dass die Angelegenheiten mit den Beteiligten vor Ort geklärt werden.“

Auch beim Thema Beraterstäbe sieht sie Optimierungsbedarf: „Hier werden derzeit noch zu viele Ressourcen verschwendet.“ Ihrer Meinung nach sollte stattdessen die Expertise von Verbänden mit Praxisbezug stärker in politische Prozesse eingebunden werden.

Beim Thema Bürokratieabbau formuliert sie einen klaren gesellschaftlichen Auftrag: „Dies ist auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir müssen als Gesellschaft dieses Absicherungsdenken loslassen, um den Bürokratieabbau zu schaffen.“

Dass das keine leichte Aufgabe ist, ist allen Beteiligten bewusst. Doch Tauschwitz bringt es zum Abschluss auf den Punkt: „Wir müssen es versuchen. Denn was ist die Alternative?“

Ein Denkanstoß, der bleibt

Das Gespräch in Rotenburg war mehr als ein formeller Termin. Es war ein Dialog auf Augenhöhe – ehrlich, kritisch, lösungsorientiert. Es zeigte sich, wie viel Potenzial in der Zusammenarbeit von Politik und Praxis liegt, wenn beide Seiten bereit sind zuzuhören und voneinander zu lernen.